— von Norbert Demuth — Gaskunden können im Falle einer unwirksamen Preisanpassungsklausel in ihrem Vertrag Preiserhöhungen nicht zeitlich unbegrenzt rückwirkend beanstanden. Vielmehr gelte für einen Widerspruch gegen eine solche Preiserhöhung lediglich eine Frist von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals aufgetreten ist. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Mittwoch erstmals.
Für einen länger zurückliegenden Zeitraum könne die Unwirksamkeit der Preiserhöhung – und damit ein Anspruch auf die Rückzahlung von entrichteten Erhöhungsbeträgen – nicht mehr geltend gemacht werden. Entsprechenden Ansprüchen könnten beispielsweise nicht die Gaspreise zugrunde gelegt werden, die beim Vertragsschluss in den 1980er Jahren galten, erklärte der BGH in einem vorliegenden Fall. Der Kunde hatte viele Jahre den Preiserhöhungen nicht widersprochen.
Der Dreijahres-Zeitraum hingegen sei eine Lösung, die den Interessen von Gasversorgern und Verbrauchern gerecht werde, sagte der Vorsitzende Richter des 8. Zivilsenats, Wolfgang Ball. Der BGH habe damit eine „Regelungslücke“ geschlossen. Das Urteil ist nach Angaben eines Gerichtssprechers „in der Praxis von großer Bedeutung“.
Energiewirtschaft: „Entscheidung mit Augenmaß“
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wertete das Urteil als „Entscheidung mit Augenmaß, die auch die Entwicklungen auf der Kostenseite der Energieversorger würdigt“. Die Unternehmen hätten in der langjährigen Phase hoher Weltmarktpreise für Energie höhere Einkaufskosten zu tragen gehabt. „Diese Entwicklungen mussten die Versorger bei ihrer Preiskalkulation zwingend berücksichtigen“, betonte der Verband.
In einem Verfahren machte ein Gaskunde Rückzahlungsansprüche gegen die Bergische Energie- und Wasser-GmbH geltend, von der er seit 1981 als Sonderkunde Gas bezog. Der Versorger erhöhte in der Vergangenheit wiederholt die Gaspreise, allerdings auf der Grundlage einer Preisanpassungsklausel, die nach der Rechtsprechung des BGH vom Dezember 2008 unwirksam ist. Nach der – als intransparent gerügten – Klausel ändert sich der Gaspreis dann, „wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt“.
Der Gaskunde hatte die geforderten erhöhten Beträge über viele Jahre jeweils gezahlt, ohne den Preiserhöhungen zu widersprechen. Im Oktober 2008 wechselte er zu einem anderen Gasanbieter. Erstmals im Februar 2009 wandte er sich gegen die von der Bergischen Energie- und Wasser-GmbH während der Vertragslaufzeit vorgenommenen Preiserhöhungen. Er verlangte die Rückzahlung der von Januar 2006 bis September 2008 gezahlten Erhöhungsbeträge – und zwar auf der Basis des bei Vertragsschluss im Jahr 1981 geltenden Arbeitspreises, mit dem der Gasverbrauch abgerechnet wurde.
Dem BGH erschien dies aber nicht vertretbar, da „1981 ganz andere Preisverhältnisse auf dem Energiemarkt herrschten“. Der BGH wies das Verfahren an das Landgericht Köln zurück. Es müsse noch feststellen, wann dem Kunden die einzelnen Jahresabrechnungen zugegangen sind und gegen welche Preiserhöhung der Widerspruch „noch rechtzeitig vor Ablauf von drei Jahren“ erhoben wurde.
Ebenso verfuhr der BGH in einem zweiten Verfahren, in dem die E.on Hanse Vertrieb GmbH involviert ist. Hier liegt der Vertragsbeginn im Jahr 1998. Die Revisionen der Energieversorger hatten nun in beiden Fällen Erfolg.
(AZ: VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11)
dapd.djn/T2012031451256/dmu/mwa