Wann können Deutsche nach Mallorca zurückkehren, die dort ein Haus haben?
Palma de Mallorca. Viele Immobilieneigentümer einer Immobilie auf Mallorca stehen vor einer großen Unsicherheit. Auch politisch schlägt das Thema der innereuropäischen Reisebeschränkungen Wellen. Das immo-magazin spricht in einem Interview mit Carlos Anglada Bartholmai, Partner der Anwaltskanzlei Monereo Meyer Abogados in Palma de Mallorca.
Carlos Anglada Bartholmai spricht Spanisch, Deutsch, Englisch, Französisch sowie Katalanisch und ist seit 2012 österreichischer Honorarkonsul auf den Balearischen Inseln. Er ist sowohl Mitglied in der Rechtsanwaltskammer der Balearischen Inseln als auch in der Rechtsanwaltskammer Barcelona. Ebenso ist er Mitglied der International Lawyers‘ Association (UIA), der Deutsch-Spanischen Juristenvereinigung (AHAJ), der Spanischen Handelskammer in der Schweiz und dem Verein der Führungskräfte der Balearen.
Herr Anglada Bartholmai, in deutschsprachigen Medien auf Mallorca gibt es Aufregung um einen offenen Brief, den ein deutscher Immobilienbesitzer an die Ministerpräsidentin Francina Armengol geschrieben hatte. Was ist der Inhalt des Briefs?
Die Aufregung wurde durch eine E-Mail verursacht, die ein deutscher Geschäftsmann an seine Kontakte adressierte und diese bat, einen von ihm geschriebenen, offenen Brief an die Präsidentin der Balearen weiterzuleiten. In diesem Schreiben verlangte er in einem recht fordernden Ton, dass nach Beendigung des Alarmzustandes die Grenzen geöffnet werden. Die ausländischen Besitzer von Immobilien auf Mallorca sollen so möglichst schnell Zugang zu ihrem Zweitwohnsitz erhalten. Der Brief machte überdies laienhafte Anspielungen auf die spanische Konstitution und die darin verankerten Rechte. Der Autor des Schreibens bat alle Kontakte, den gleichen Text direkt an die E-Mail der Präsidentin zu senden. Dem Wunsch sind wohl mehr als 200 Personen gefolgt. Zudem wurden die Hauptmedien auf der Insel per Kopie informiert, was den Nachhall erzeugte. Die Ministerpräsidentin Armengol antwortete am folgenden Tag mit einem ausführlichen, in perfektem Deutsch erstellten Schreiben. Darin versprach sie jedoch nicht viel mehr, als an der schrittweisen Wiederherstellung der Normalität nach Beendigung des Alarmzustandes zu arbeiten. Auch der Verband der Immobilienmakler ABINI unterstützt im Gegensatz dazu den Kurs der Regierung.
Ist dieser Protest ein spezifisch „deutsches“ Phänomen oder gibt es auch andere kritische Stimmen?
Das Schreiben des deutschen Unternehmers ist nicht die einzige Bewegung, da es weitere Gruppen gibt, die sich im Sinne ihrer Interessen zusammenschließen, wie zum Beispiel eine Gruppe gegründet in Telegramm, welche sich Mallorca steht auf – Freiheit und Selbstbestimmung nennt.
Sind weitere Schritte hin zur „neuen Normalität“ geplant, die die Lage für deutsche Immobilienbesitzern verbessern könnten?
Momentan ist eher das Gegenteil der Fall. Die jüngste Entwicklung war die Beibehaltung der Einreisebeschränkungen durch den Ministerialerlass INT/401/2020 am 11. Mai 2020 mit ganz wenigen Ausnahmen. Hinzu kommt, dass sich jeder, der aus dem Ausland einreist, in eine 14-tägige Quarantäne begeben muss. Seit dem 15. Mai und bis zum Ende des Alarmzustandes gilt diese Quarantäne auch für Immobilienbesitzer oder Deutsche mit Zweitwohnsitz in unserem Land, sofern sie denn überhaupt einreisen können, da die Einreise grundsätzlich nur Ansässigen, aus beruflichen Gründen oder bei Notwendigkeit erlaubt ist.
Allerdings ist nichts sicher und die Umstände können sich ändern. Werfen wir einen Blick nach Italien, dort ist die Öffnung der Grenzen für den Tourismus geplant – ohne Quarantäne. Spanien könnte diesem Beispiel folgen, wenn auch in kleineren Schritten. Die Balearischen und die Kanarischen Inseln haben nur wenige Corona-Fälle verzeichnet. Aus diesem Grund und als Inseln haben beide Autonomen Regionen angeboten, Pilotprojekte für die Einreise von Touristen entsprechend der Nachfrage zu leiten.
Wie schätzen Sie die juristische Lage ein?
Die Vielzahl von Bestimmungen und Regeln, die seit dem 14. März verabschiedet wurden, ist wirklich eine Herausforderung für spanische Juristen, da wir diese Regeln gleichzeitig studieren und anwenden müssen. Dies sind Regeln, die logischerweise in Eile diktiert wurden und zahlreiche juristische Lücken aufweisen – man muss nur die intensiven Auslegungsdebatten sehen, die jede neu erlassene Vorschrift verursacht.
Es ist offensichtlich, dass ein Alarmzustand eine Reihe von Verfassungsrechten einschränkt: Bewegungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und sogar das Eigentumsrecht.
Das Problem liegt aus juristischer Sicht natürlich in der Abwägung der Grundrechte gegen die Maßnahmen im Rahmen der Pandemie. Nach dem ersten Schock, bei dem alle Parteien Solidarität mit den Initiativen der Regierung zeigten, begann die Kritik daran, wie die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gehandhabt wurde. Die Leichtigkeit, mit der die Regierung die dezentralen Prinzipien, eines der charakteristischen Elemente des spanischen Staates, übergangen hat, wird als sehr gefährlich eingestuft. Die Zentralmacht zog zum Beispiel sofort alle Befugnisse im Gesundheitswesen an sich, was jedoch nur zu mangelhafter Koordination und Verzögerungen geführt hat.
Zwar hat die Regierung zahlreiche Maßnahmen ergriffen, allerdings haben vor allem Selbstständige und mittelständische Unternehmen das Gefühl, von der Regierung ungenügend unterstützt zu werden. Die Bereitstellung von Krediten ist in der Regel mit viel Bürokratie verbunden. Auf steuerlicher Ebene wird kritisiert, dass die Steuerbelastung praktisch die gleiche sei wie vor der Krise. Zudem wurden manche Maßnahmen verspätet ergriffen, wie die Verschiebung der Zahlung der Mehrwertsteuer des ersten Quartals. Zu dem Zeitpunkt hatte ein großer Teil der Betroffenen diese bereits bezahlt. Weiteres Beispiel: Die Regierung hat zu Beginn der Krise eine Verordnung zum bereits existierenden Werkzeug der Kurzarbeit (in Spanien: ERTE) erlassen, die es erlaubt, Arbeitsverträge auszusetzen oder die Arbeitszeit zu verkürzen. Dabei erhalten die Angestellten einen Teil ihres Gehalts vom Sozialversicherungssystem. Es gibt jedoch zahlreiche Zweifel an der Umsetzung und eine wachsende Furcht der Unternehmer, dass die Vorgänge nachträglich überarbeitet, annulliert oder Strafen verhängt werden. Das gesetzliche Dekret vom 21. April wird ebenfalls scharf kritisiert, da es nur die Verschiebung der Miete für Geschäftslokale vorsieht, nicht aber andere weitgehende Maßnahmen, wie die teilweise Reduzierung oder Herabsetzung, wie einige forderten.
Kommen Gerichte und Behörden überhaupt mit der Umsetzung der Maßnahmen hinterher? Steckt hinter dem Protest der Immobilienbesitzer auch die Angst vor den Okupas?
Die Situation an den spanischen Gerichten ist tatsächlich besorgniserregend: Seit dem 16. März ist die Tätigkeit der Gerichte praktisch gleich Null, was eine extreme Überlastung für die kommenden Monate befürchten lässt. Dies ist besonders schwerwiegend in Fällen, in denen rasche gerichtliche Maßnahmen erforderlich sind, beispielsweise in Bezug auf Hausbesetzer (okupas). Dies ist aktuell ein Thema, das besonders ausländische Eigentümer besorgt, die keinen Zugang zu ihrem Eigentum haben. Ihre Sorge sollte dennoch nicht zu groß sein, denn der spanische Staat hat ja 2018 Vorschriften zur Erleichterung der Express-Räumung erlassen. Der absehbare Zusammenbruch der Gerichte wird diese Prozesse sicherlich verlangsamen, aber wir müssen auf die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen warten – die Zulassung von Gerichtsverfahren am Nachmittag, samstags oder sogar im August – und hoffen, dass zusätzlich die vorhersehbaren zahlreichen Prozesse gegen Hausbesetzern eine bestimmte Priorität erhalten.
Was würden Sie ausländischen Besitzern von Immobilien empfehlen?
Gerade in Bezug auf die Hausbesetzer ist es schwierig, eine Empfehlung abzugeben. Offensichtlich haben Eigentümer mit Sicherheitssystemen oder Videoüberwachung mehr Kontrollmöglichkeiten. In anderen Fällen müssen sich die Eigentümer darauf verlassen, dass Freunde oder Bekannte sie über verdächtige Bewegungen informieren, was natürlich in Zeiten der Ausgangssperre schwierig ist. In jedem Fall muss berücksichtigt werden, dass die Polizei auch im Falle eines offensichtlichen Verbrechens befugt ist zu räumen, und dass die Gerichte für dringende Angelegenheiten geöffnet sind. Wenn Sie Kenntnis von der Besetzung Ihres Hauses haben empfehle ich daher, dringend Ihren Anwalt zu kontaktieren, damit sich dieser an die Polizei wenden kann.
Wie, glauben Sie, wird das Leben nach der Corona-Pandemie weitergehen?
Was die Veränderungen betrifft, die diese Krise in unserer Gesellschaft hinterlässt, eröffnen sich interessante Debatten: Wer wird die Rechnung dieser Krise bezahlen? Alles deutet darauf hin, dass die Regierung plant, dafür die Steuern für den Mittelstand zu erhöhen. Inwiefern wird die Gesellschaft bereit sein, im Namen der Gesundheit weitere Einschränkungen ihrer Freiheit (Bewegung, Eigentum) oder größere Eingriffe beim Datenschutz zu akzeptieren? Unabhängig von den Maßnahmen in Krisenzeiten: Es scheint der Fall zu sein, dass diese Krise die Kaufgewohnheiten der Verbraucher verändert und die Umsetzung der Telearbeit in Unternehmen beschleunigt hat. Was passiert mit den langfristigen Mietverträgen, die Händler und Unternehmer unterzeichnet haben? Und besonders auf den Balearen: Sobald wir Touristen empfangen dürfen, wie werden die Gewohnheiten der Touristen in Zukunft sein und haben wir auf den Balearen die Fähigkeit, uns dieser neuen Form des Tourismus anzupassen? Wird es den Ballermann noch geben? Sie sehen, ich habe selbst mehr Fragen als Antworten. Aber ich bin zuversichtlich, dass es Mallorca mehr als nur einmal im Jahr geben wird.