Das Richtfest, ein Ritual aus dem 14. Jahrhundert, hat sich bis heute erhalten. Es ist ein besonderes Erlebnis für jeden Bauherren. Damit werden das Aufrichten des Dachstuhls und das Ende des ersten großen Bauabschnitts gefeiert. Jetzt sind die Konturen des künftigen Heims schon klar erkennbar. Viele Bauherren nutzen das Fest, um den Bauleuten und Handwerkern zu danken, Nachbarn und Freunde einzuladen und ihnen stolz den Baufortschritt zu präsentieren.
Traditionelles Richtfest mit Richtspruch
Wie vor Hunderten von Jahren läuft das klassische Richtfest auch heute noch ab. „Es wird gefeiert, wenn der Rohbau fertig und der Dachstuhl errichtet ist“, so der Bund Deutscher Zimmermeister. Die Zimmerleute stellen den Richtbaum oder die Richtkrone am Dachstuhl auf. Danach weihen sie mit einem Richtspruch das neue Bauwerk ein. Der Bauherr darf den letzten Nagel in das Bauwerk einschlagen.
Wird der dabei krumm, muss er eine Extrarunde ausgeben. Nach dem Richtspruch werden Wein, Sekt oder Schnaps gereicht, und das geleerte Glas wird vom Dach geworfen. Die Scherben sollen Glück bringen. Nach dem Glaswurf lädt der Bauherr die Anwesenden zum Richtschmaus ein.
Bauherr plant Richtfest – rechtzeitig Gedanken machen
Ein Richtfest kann ein großer Event werden, wenn viele Gäste erwartet werden. Deshalb sollte sich der Bauherr trotz Baustellenstress rechtzeitig Gedanken darum machen. Als erstes muss an den Richtkranz gedacht werden. Am persönlichsten ist es, wenn man ihn selbst gestaltet. Dazu biegt man aus Draht einen Kranz, an den man kleine Äste befestigt. Besonders geeignet sind Thuja-, Buchs- oder Lebensbaum. Danach werden noch bunte Bänder angebracht. Anstelle eines Kranzes kann auch ein Richtbaum verwendet werden. Richtkranz oder Richtbaum werden mithilfe der Zimmerleute am Dachstuhl angebracht.
Richtfest auf der Baustelle
Stilecht wird das Richtfest auf der Baustelle gefeiert, nicht etwa in einem Gasthof. Das macht die besondere Atmosphäre aus, stellt den Bauherren aber auch vor die Aufgabe, für die Sicherheit seiner Gäste zu sorgen. Vor allem an die Kinder sollte gedacht werden, denn für sie lauern viele Gefahren auf einer Baustelle. Grundsätzlich sollte im Erdgeschoss gefeiert und alle gefährlichen Zugänge zu den oberen Geschossen versperrt werden.
Vor dem Richtfest gibt es viele organisatorische Dinge zu erledigen. Ein geeigneter Termin muss gefunden werden. Die meisten Richtfeste finden freitags oder samstags statt, weil dann die meisten Gäste Zeit haben. Speisen und Getränke müssen besorgt, Sitzgelegenheiten bereitgestellt werden. Auch an eine mobile Toilette, Beleuchtung und gegebenenfalls an eine Heizung sollte gedacht werden.
Geschenke und Rituale zum Richtfest
Geschenke zum Richtfest bringen üblicherweise nur die Gäste mit, die nicht selbst am Bau mitgewirkt haben. Traditionell sind Brot und Salz dabei, ein Symbol dafür, dass im neuen Haus immer genug zu Essen sein soll. Aber die meisten Bauherren freuen sich auch über nützliche Dinge für Haus und Garten, etwa eine Schubkarre, eine Heckenschere oder einen Gutschein vom Baumarkt.
Wer sich genau über die Rituale beim Richtfest und deren Hintergründe informieren möchte, wird oft bei den Handwerkern fündig. Besonders die Zimmerleute sind dafür bekannt, dass sie Wert auf traditionelle Bräuche legen und sie gern pflegen.
Klassischer Richtspruch
Zum Giebel bin ich hochgestiegen,
um hier zu reden mit Vergnügen.
Den Bauherrn und die lieben Seinen
und alle, die sich hier vereinen,
die Baugenossen und die Gäste
begrüße ich zu diesem Feste.
Dem Architekten, der zum Bau
den Grundriss hat erdacht genau,
dem Maurermeister, der sodann
das Werk mit sicherer Hand begann
sei heut ein volles Glas geweiht
mit Glück und Heil zu aller Zeit.
Nicht minder sollen die Gesellen,
die mit den Äxten und den Kellen
gezimmert und gemauert hier
ein Segenswort erlauben mir.
Prost!
Gott schütze dieses neue Haus
und alle, die da gehen ein und aus.
Er schütze auch vor dieser Tür
das Finanzamt und den Gerichtsvollzieher.
Prost!
Wenn nun das Glas in Scherben springt
noch einmal unser Gruß erklingt
hinaus mit Freude und Gebraus:
Glück und Segen diesem Neuen Haus!
Traditioneller Richtspruch
Diese Richtspruch Variante startet mit „Die Feierstunde hat geschlagen…“ und bringt zum Richtfest die Freude über den Baufortschritt und die nahende Fertigstellung zum Ausdruck . Anwesenden Gäste werden bei diesem Richtspruch explizit nicht begrüßt und es wird auch der Dank an die ausführenden Handwerker nur sehr allgemein formuliert. Architekt und Planer werden nicht direkt genannt denn „wen ich nicht beim Namen nenne, den kann ich auch nicht vergessen“. Auf den Bauherren werden und die Zimmerer wird das Glas erhoben und getrunken.
Mit Gunst und Verlaub!
Die Feierstunde hat geschlagen,
es ruhet die geübte Hand.
Nach harten, arbeitsreichen Tagen
grüßt stolz der Richtbaum nun ins Land.
Und stolz und froh ist jeder heute,
der tüchtig mit am Werk gebaut.
Es waren wack´re Handwerksleute,
die fest auf ihre Kunst vertraut.
Drum wünsche ich, so gut ich´s kann,
so kräftig wie ein Zimmermann,
mit stolz empor gehobnem Blick
dem neuen Hause recht viel Glück.
Wir bitten Gott, der in Gefahren
uns allezeit so treu bewahrt,
er mög´ das Bauwerk hier bewahren
vor Not und Schaden aller Art.
Nun nehm´ ich froh das Glas zur Hand,
gefüllt mit Wein bis an den Rand,
und mit feurigen Saft der Reben
will jedermann die Ehr´ich geben,
wie sich´s nach alten Brauch gebührt,
wenn so ein Bau ist ausgeführt.
Das erste Glas der Bauherrschaft:
Hoch soll sie leben, hoch, hoch, hoch!
Nun brauchte man zu allen Zeiten
nicht nur den Kopf, nein auch die Hand.
Drum noch ein Hoch den Zimmerleuten,
durch deren Kraft der Bau erstand.
Hoch sollen sie leben, hoch, hoch, hoch!
Nun ist das Glas wohl ausgeleert
und weiter für mich nichts mehr wert,
drum werf´ ich es zu Boden nieder –
zerschmettert braucht es keiner wieder;
Erstveröffentlichung: Mai 2011 dapd.djn/kaf/mwo/kl
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