Leben mit Dampframme und Presslufthammer – Bei Bauarbeiten in der Nachbarschaft können Bewohner die Miete kürzen
Berlin (ddp.djn). Baustellen im eigenen Haus oder in der Nachbarschaft sind lästig. Mieter, die wochen- oder monatelang mit Lärm und Schmutz leben müssen, brauchen diese Unannehmlichkeiten aber nicht einfach hinzunehmen. Nach dem Gesetz dürfen Mieter immer die Miete kürzen, wenn es zu Beeinträchtigungen kommt.
Bauarbeiten schränken die Nutzungsmöglichkeiten der Wohnung erheblich ein und berechtigen zur Mietminderung, so der Deutsche Mieterbund (DMB). Auch wenn der Vermieter nicht der Verursacher der Bauarbeiten ist und diese nicht abstellen kann, muss er die Kürzung der Miete akzeptieren. Mieter sollten keine Scheu haben, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Denn der Vermieter kann sich das entgangene Geld wieder zurückholen, so das Landgericht Potsdam (AZ: 3 S 108/06). Er kann vom Bauherrn Ausgleich verlangen.
Wie hoch die Mietminderung ausfallen darf, hängt vom Einzelfall ab. Vermieter und Mieter haben oft sehr verschiedene Vorstellungen über eine angemessene Kürzung des Mietzinses. Orientierung geben einige Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung, auf die der Infodienst Recht und Steuern der LBS verweist.
Besonders arg betroffen war eine Familie, die im zehnten Stock eines Hochhauses in Berlin wohnte und erhebliche Arbeiten an einem benachbarten Neubau miterleben musste. Unter anderem wurden eine Parkplatzfläche aus Beton mit Presslufthämmern aufgerissen, 100 Bäume gefällt und unter Einsatz von Dampframmen ein fünf Meter tiefer Baugraben gezogen. Das Schlimmste aber war, dass mit behördlicher Ausnahmegenehmigung auch zur Nachtzeit gearbeitet werden durfte. Das alles reichte nach Überzeugung des Amtsgerichts Berlin-Mitte, um die Miete um 30 Prozent zu mindern (AZ: 7 C 147/06).
Wird ein Altbau in der unmittelbaren Umgebung eines Wohnhauses komplett entkernt und nicht nur teilweise renoviert, können die betroffenen Nachbarn getrost eine Minderung ihrer monatlichen Mietzahlungen in Angriff nehmen. Denn dabei handelt es sich nach Überzeugung des Landgerichts Berlin um einen weit schwereren Eingriff als etwa bei einer bloßen Fassadensanierung (AZ: 62 S 82/06). Eine Minderung in Höhe von zehn Prozent schien den Richtern angesichts der Beeinträchtigung durch die Entkernung als angemessen.
Doch nicht jede Störung führt automatisch zu Schadenersatz für die Anwohner. Wichtig ist, ob der Betroffene schon bei der Anmietung einer Immobilie erkennen konnte, dass in der Nähe größere Arbeiten anstehen. Ist das der Fall, dann stehen nach Ansicht des Landgerichts Berlin die Chancen für Ausgleichszahlungen schlecht. So erging es einem Kläger, dem schon vor Bezug seiner Wohnung hätte auffallen müssen, dass eine Baulücke auf einem verwilderten Nachbargrundstück irgendwann geschlossen werden würde. Als es tatsächlich so weit war, scheiterte er mit dem Versuch der gerichtlichen Durchsetzung einer Mietminderung (AZ: 63 S 155/07).
Anders sah es das Landgericht Frankfurt, auf dessen Urteil die Quelle Bausparkasse verweist. Mieter von Wohnungen in der Innenstadt müssen nicht zwangsläufig mit Bautätigkeiten in ihrer näheren Umgebung rechnen und können bei starkem Baulärm in der Nachbarschaft die Miete selbst dann mindern, wenn die Wohnung in einem Innenstadtbereich mit zahlreichen Gewerbebetrieben liegt (AZ: 2-17 S 113/06). Monatelange und auch nachts andauernde Belästigungen durch eine Großbaustelle rechtfertigten durchaus eine Mietminderung um zwölf Prozent, so die Richter.
Wenn Baulärm und ein Gerüst am Haus über längere Zeit die Lebensqualität der Bewohner beeinträchtigen, kann sogar eine Mietminderung von 30 Prozent infrage kommen. Das befand das Amtsgericht Hamburg-Altona (AZ.: 317 C 198/07). Im verhandelten Fall war das Haus länger als ein Jahr eingerüstet. Die Loggia konnte kaum genutzt werden. Dazu kamen Lärm durch Dämm-, Maurer- und Abbrucharbeiten sowie Betonsanierung und Erdarbeiten.
Mieter, die ihre Miete wegen Baulärms mindern wollen, sollten das ihrem Vermieter mitteilen inklusive Zeitraum und Höhe der Mietminderung. Bei der Berechnung der Mietminderung können sie laut BGH von der vereinbarten Brutto-Warmmiete ausgehen, also Grundmiete plus «kalte» Betriebskosten und Heizkosten (AZ: XII ZR 225/03 und VIII ZR 347/04).
Das Recht auf Mietminderung besteht grundsätzlich. Eine Klausel im Mietvertrag, wonach das Minderungsrecht des Mieters unter bestimmten Voraussetzungen endgültig ausgeschlossen sein soll, ist unwirksam, auch in Gewerbemietverträgen. Das entschied der Bundesgerichtshof (XII ZR 62/06). Demnach kann bei der Geschäftsraummiete das Mietminderungsrecht zwar eingeschränkt, aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Bei Wohnraummietverhältnissen darf, so der Deutsche Mieterbund, das Mietminderungsrecht gar nicht beschränkt werden.
ddp.djn/kaf/mwo