Köln (ddp). Ess-Sessel, auf denen man lange bequem am Tisch sitzen kann, Lounge-Sessel zum Chillen oder private Spa-Oasen, bei denen Schlafzimmer und Badezimmer zu einer Einheit verschmelzen: «Wellness im ganzen Haus gehört in diesem Jahr zu den großen Trends», sagt Markus Majerus, Sprecher der Internationalen Möbelmesse «imm cologne», die bis zum 24. Januar in der Rheinmetropole Köln stattfindet. Parallel zu dieser Entwicklung vollzieht sich die schrittweise Grenzöffnung zwischen den Zimmern: Die räumliche Einheit «Küche – Essen – Wohnen» setzt sich laut Majerus fort. Der kleine Esstisch weicht dem großformatigen Exemplar mit Wohnqualität. Hinzu kommen für die warme Jahreszeit Gartenmöbel, die aussehen wie Wohnzimmermöbel, sowie Gartenküchen und Gartenduschen.
«Keine Frage: Wellness ist in», sagt auch Kaja Möller von der Möbel-Fachmesse Ostwestfalen, die immer im Frühjahr in Bad Salzuflen läuft. «Das umfasst wechselnde Beleuchtung bei Wohnmöbeln ebenso wie Bequemfunktionen bei Polstermöbeln oder Komforthöhen bei Betten», erklärt die Expertin. Mediacenter werden mit sogenannten «magischen Augen» ausstattet, damit die Fernbedienung die Unterhaltungselektronik auch bei geschlossenen Fronten steuern kann. Schon vor einem Jahr sorgten auf der «imm cologne» die Media-Polstermöbel eines Schweizer Herstellers für Aufsehen. Dessen Sitzgruppe mit integrierten Rechnern und Bildschirmen ermöglicht es, Mediaanwendungen von E-Mail bis TV bequem aus den Polstern heraus zu bedienen.
Weitere Wellness-Trends: Technik wird unsichtbar und Sessel und Sofas stellen sich mit integrierten Funktionen in Sitzhöhe, -tiefe, Neigungswinkel, Nacken- und Fußstütze auf ihren Besitzer ein. Steckkissen ermöglichen überall dort Unterstützung, wo sie gebraucht wird. «Die klassische Sitzgruppe mit Dreier-, Zweiersofa und Sessel ohne weitere Funktionen ist dagegen ein Auslaufmodell», sagt imm-Sprecher Majerus. Die Schiebetüren von Panorama-Schränke müssen lediglich leicht angetickt werden und bieten prompt den kompletten Überblick – Schübe und Türen in Wohnwänden mit langen Sideboards, Highboards und Lowboards öffnen sich automatisch per Fingerdruck und schließen sich flüsterleise.
Die Form folgt der Funktion – diese lange Zeit von hochambitionierten Style-Designern missachtete Grundregel hat sich wieder durchgesetzt. «Die Menschen sind in den vergangenen Jahren einer Überdosis an Design, Dekorierung und Opulenz erlegen und wollen sich davon jetzt befreien», erklärt der US-Trend-Experte Marcus Fairs, einer der kreativen Köpfe der imm cologne. «Dies führt zu einem eher reinen, minimalistischen, kühlen Design. Wir beschränken uns auf die Dinge, die wir wirklich brauchen.» Andererseits lässt sich nach seinen Worten ein Trend feststellen, dass sich die Menschen in ihre «Comfort Zone» zurückziehen und nach Elementen suchen, die gemütlich und beruhigend sind – organisch gestaltete Polstermöbel mit weiblichen, opulenten Formen beispielsweise. Hier führt die Entwicklung offensichtlich ins Gegenteil – zu einem Design der Behaglichkeit.
Der Stockholmer Innenarchitekt und imm-Beobachter Eero Koivisto nennt eine weitere Entwicklung: «Jahrelang haben alle versucht, Produkte aus einem einzigen Material oder in einer homogenen Oberfläche zu gestalten. Stühle waren einfarbig oder komplett mit Blumen übersät, alles war sehr abgeschlossen in sich selbst. Neuerdings gibt es im Design eine Vorliebe für ‚unpassende‘ oder traditionell nicht zusammengehörige Dinge – Materialkombinationen von Holz und Kunststoff, merkwürdige Anhängsel und irgendwie deplatziert wirkende Motive auf Sofas, auseinandergenommene und komisch wieder zusammengefügte Möbel.» Für imm-Sprecher Markus Majerus gehören auch ungewöhnlich Materialien wie gefärbte mdf-Platten, Betonoptik oder Verknüpfungen von dunklem Holz mit Glas und/oder Edelstahl in diese Richtung.
«Bei den Farben bleibt Weiß auf der imm cologne der Trend Nummer eins», sagt Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Bei den Bezugsstoffen der Polstermöbel sind aber auch wieder starke Unis wie Violett, Rot und Blau zu sehen – beispielsweise beim Esssessel rund um den großen Tisch. Auch Gold wird nach Jahren der Verbannung wieder vorsichtig getestet, Anthrazit und helleres Grau spielen eine Rolle. Beim Leder dominieren Naturtöne. Absolut neu auf den Markt kommt mattes Schwarz, bei Polsterbezugsstoffen ebenso wie bei Kastenmöbeloberflächen. Das Thema Ornament bleibt laut Klaas bei den Bezugsstoffen en vogue, ob nun in Anlehnung an Rokoko-Muster oder abstrakt floral. Das gilt nicht nur für Polstermöbel, sondern auch für Tapeten oder Heimtextilien.
Auch die Frage der Nachhaltigkeit gewinnt nach Klaas‘ Worten immer mehr an Gewicht: «Die Menschen werden sensibler für die Ressourcen dieser Welt und für die Dinge, die Wert und Beständigkeit haben. Die deutsche Möbelindustrie verwendet für ihre Produkte ohnehin viel Holz – einen nachwachsenden Rohstoff.» Auch bei den anderen verwendeten Materialien im Möbelbau sei den Käufern immer mehr an der Trennbarkeit und Recycelbarkeit am Ende des Lebenszyklus gelegen. «Die vertraute Wegwerf-Mentalität wird mehr und mehr in Frage gestellt», resümiert der VDM-Chef. Neben langlebiger Qualität werde auch Möbeldesign, das über der Zeit steht, deutlich mehr nachgefragt.
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