Frankfurt/Main (dapd). Der Ökonom Justus Haucap wettert gegen die Ökostrom-Förderung nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Seiner Ansicht nach ist sie überholt und belastet die Verbraucher unnötig mit Milliardensummen. Der Professor für Volkswirtschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf schlägt eine Alternative vor. Mit dapd-Redakteur Philipp Heinz sprach mit dem früheren Vorsitzenden der Monopolkommission über Grünstromzertifikate, mögliche Einsparungen und Hausbesitzer, die sich dumm und dämlich verdienen.
dapd: Was ist denn an dem geltenden EEG-Modell so schlecht? Immerhin liegt der Anteil des grünen Stroms mittlerweile bei rund einem Viertel.
Haucap: Bei der jetzigen Förderung gibt es eine ganze Reihe von Problemen. Eines davon konnte man an Weihnachten sehr gut sehen. Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertags kostete eine Megawattstunde Strom minus 473 Euro an der Börse. Das heißt, wer eine Megawattstunde Strom verkaufen wollte, musste dem Käufer noch 473 Euro dazugeben, damit er sie nimmt.
dapd: Klingt nach einem schlechten Deal für Stromverkäufer. Wie konnte es soweit kommen?
Haucap: Das Problem an Weihnachten war, dass der industrielle Verbrauch sehr gering war, der Wind aber stark geblasen hat. Ein Problem bei der jetzigen Regelung ist der unbedingte Abnahmezwang. Selbst wenn der Strompreis negativ ist, bekommen die Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien noch die zugesagte Einspeisevergütung. Die Netzbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, den erneuerbaren Strom zu kaufen.
dapd: Welche Schwierigkeiten sehen sie noch beim jetzigen Förderungsmodell?
Haucap: Das zweite Problem ist die ganz massive Überförderung der Photovoltaik. Sie ist die mit Abstand teuerste Energieform. In Deutschland hat man die staatlichen Tarife gar nicht so schnell anpassen können und auch nicht wollen, wie die Preise für die Solar-Panels gesunken sind. Deshalb bekommt man mit Solarstrom die höchste Rendite, obwohl es im Vergleich zu Wind oder Biomasse die ineffizienteste Erzeugungsmethode ist. Weltweit 40 Prozent der Photovoltaik-Panels stehen in Deutschland. Es gibt hier also wesentlich mehr Solaranlagen als in Spanien, Italien oder jedem anderen südeuropäischen Land.
dapd: Wie ließe sich das ändern?
Haucap: Das Problem ist, dass sich bei der bisherigen Förderung keine Marktpreise entwickeln. Unser Vorschlag ist, dass Stromversorger und Großverbraucher, die den Strom direkt an der Strombörse kaufen, dazu verpflichtet werden, einen gewissen Prozentsatz ihres Stroms aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Diese Quote könnte man nach und nach anheben, etwa auf 35 Prozent im Jahr 2020.
dapd: Aber wie kommen dann die Hersteller von Ökostrom an ihr Geld?
Haucap: Die Produzenten bekommen Geld für ihren Ökostrom nach den jeweiligen Marktpreisen und dazu grüne Zertifikate, die sie verkaufen können. Das ganze Beschaffungs-Management für grünen Strom würden wir den Stadtwerken und anderen Energieversorgern überlassen. Damit würde der erneuerbare Strom gefördert, der am wirtschaftlichsten ist. Und nicht der, der die höchste Rendite verspricht. Auch für grüne Energie gibt es dann einen einzigen Preis wie bei anderem Strom auch.
dapd: Wie viel Geld könnten die Stromkunden, die die Förderung ja über die EEG-Umlage im Strompreis bezahlen, damit denn sparen?
Haucap: Nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung würde das neue Förderregime in den nächsten acht Jahren bis zu 50 Milliarden Euro einsparen. Dabei würde genauso viel Ökostrom produziert wie mit der bisherigen Förderung. Solarenergie würde vor allem zum Eigenverbrauch genutzt. Die Menge kann man über gesetzliche Quoten hervorragend steuern. Schweden und Norwegen haben genau so ein System. Es wäre auch interessant, das System auf weitere europäische Länder auszudehnen.
dapd: Glauben Sie, dass Sie für Ihre Idee Unterstützung bekommen werden?
Haucap: Das ist eine Frage der Zeit. Es gibt viel zu viele Leute, die zu gut an dem bisherigen System verdienen. Es dient als Umverteilungssystem für alle möglichen Wählerschichten. Landwirte und Hausbesitzer in Bayern mit Solaranlagen auf dem Dach verdienen sich zum Beispiel dumm und dämlich. Ich kann mir aber andererseits nicht vorstellen, dass man das Stromnetz zum Kollabieren bringt. Irgendwann gibt es eine gewisse Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Irgendwann wird auch die Politik umsteuern müssen.
dapd: Politische Unterstützung gibt es ja schon von der sächsischen Landesregierung aus CDU und FDP, die den Vorschlag eines Quotenmodells zur Reform des EEG in den Bundesrat einbringen will.
Haucap: Quer durch alle Parteien gibt es Befürworter einer Reform, so dass Stromerzeuger nicht länger komplett vor den Preisschwankungen geschützt werden und die Verbraucher die Deppen sind, die die Profite finanzieren müssen. Es ist klar, dass es so nicht weitergehen kann für die nächsten 25 Prozentpunkte, um die der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung steigen soll. Vor der Bundestagswahl wird da nichts mehr passieren. Es ist aber trotzdem gut, dass die Ideen auf dem Tisch sind.
dapd.djn/T2013012650572/ph/pon/rad
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