Nach Corona-Pause Hermann-Billing-Preis 2022 wieder an der KIT-Architektur-Fakultät vergeben
Ein beschwingtes Cello-Duo gab am Mittwoch Abend den Auftakt für die schöne Feierstunde an der Architektur-Fakultät des KIT, Karlsruher Institut für Technologie. Der Hermann-Billing-Preis wurde vergeben. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Verleihung für zwei Jahre ausgesetzt. Umso freudiger schaute Prof. Dirk E. Hebel, Dekan der Fakultät, in seiner Begrüßung der diesmaligen Vergabe entgegen: „Der Hermann-Billing-Preis ist eine wichtige Auszeichnung und Bestätigung für unsere Doktoranden.“ Seit 1985 verleiht die KIT-Architektur-Fakultät den Preis an herausragende Promotionen und seit 2019 wird er ausschließlich an der eigenen Fakultät vergeben, immer in Memoriam an den Karlsruher Jugendstil-Architekten Hermann Billing, der Ende des 19. Jahrhunderts an der damaligen Technischen Hochschule Karlsruhe, der Vorgängerin des heutigen KIT, studierte und 1907 dort ordentlicher Professor für Architektur wurde. Im Karlsruher Stadtbild erhalten sind heute von Hermann Billing unter anderem der damals durchaus provokante Brunnen am Stephanplatz sowie das Häuserensemble der Baischstraße am Mühlburger Tor.
Dass Architektur vorrangig ein für die Praxis orientiertes Fach ist, stellte Prof. Andreas Wagner, Vorsitzender der Promotionskommission an der Fakultät, in seinem Grußwort fest. Deshalb sei es umso erfreulicher, dass das wissenschaftliche Arbeiten und die Anzahl der abgeschlossenen Promotionen an der KIT-Architektur-Fakultät zunähmen. „Wir wollen das ausbauen und fördern und die Wissenschaft vorantreiben“, sagte Prof. Andreas Wagner mit Verweis auf die Überlegungen, am Haus ein Graduiertenprogramm einzuführen. Die Diskussionen hierzu laufen derzeit.
Gestiftet wird der Hermann-Billing-Preis von dem eigens dafür gegründeten und für jedermann öffentlichen Förderverein des Karlsruher Corps Friso-Cheruskia. Das CFC ist jene Verbindung, der ehemals auch Hermann Billing angehörte. Dipl.-Ing. Arne Petersohn, Vorsitzender des CFC Fördervereins, begrüßte und stellte in einer Laudatio die Preisträgerin vor, die zweisprachig mit Deutsch und Französisch aufgewachsen „das Optimale aus europäischen Grenzüberschreitungen“ gemacht habe.
Tatsächlich hat Preisträgerin Dr. Muriel Wipfler mit ihrer Dissertation eine großartige Leistung bewiesen, bei der ihr die Zweisprachigkeit gute Dienste erwiesen haben mag. Wipfler hat ihre Dissertation in der – auch an der KIT-Architektur-Fakultät angesiedelten – Kunstgeschichte über den aus Pirmasens stammenden Genre- und Landschaftsmaler Heinrich Bürkel (1802-1869) verfasst. Bürkel, den man für einen Autodidakten aus armem Elternhaus hielt, gelangte im 19. Jahrhundert zu erstaunlichem Erfolg, verkaufte Gemälde an den bayerischen Hof und nach Übersee und er machte viel Geld. Pirmasens und die Pfalz gehörten ehemals zu Frankreich, weshalb viele Privatbriefe und Autographen Bürkels auf Französisch geschrieben sind. Wipfler übersetzte und editierte für ihre Arbeit 512 Dokumentenquellen rund um Bürkels Leben. Heraus kam: Bürkel stammte gar nicht aus ärmlichen Verhältnissen. Seine Eltern finanzierten ihn und er hatte sehr wohl eine gewisse Zeit eine akademische Ausbildung genossen. Wahrlich meisterhaft hat Bürkel allerdings seine eigene Vermarktungsstrategie entwickelt, die unter anderem auf Kataloge mit Fotografien seiner Werke setzte, bei denen die Kunden wählen durften, in welcher Komposition und mit welchen Motiven sie dieses oder jenes Bild wünschten. Nach ihrem Vortrag berichtete Dr. Muriel Wipfler auch kurz von ihrer heutigen Tätigkeit beim Landratsamt im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Dort koordiniert sie ein landesweit angelegtes Projekt, das unter Denkmalschutz gestellte Bildungseinrichtungen für mögliche neue und erweiterte Nutzungen begutachtet. So wird momentan unter anderem ein Konzept für das ehemalige Kloster Sankt Claren in Weißenfels erarbeitet, wo ein generationenübergreifender Bildungs- und Begegnungsort entstehen soll.
CFC Förderverein-Vorsitzender Dipl.-Ing. Arne Petersohn stellte auch den zweiten Preisträger, Dr. Martin Berchtold, vor, der in seiner ausgezeichneten Dissertation zu den Möglichkeiten von GIS-basierten digitalen Land- und Straßenkarten für die Stadtentwicklungsplanung geforscht hat. Die Abkürzung GIS steht für Geografisches Informationssystem und GIS wird vor allem in den Geowissenschaften angewandt. Noch relativ selten ist sein Gebrauch in der Stadtplanung, was Martin Berchtold Anlass zu seiner Forschung war. Gespeist wird GIS jeweils aus „Open Data“, also aus öffentlich zugänglichen Daten, die etwa von den Kommunen und den Einwohnermeldeämtern erhoben werden. Von tiefrot bis rosa zum Beispiel sind dann die markierten Flecken auf einem solchen digitalen Stadtplan. Die hellen Farben zeigen an, in welchen Quartieren die älteren Menschen leben. Die dunklen verweisen auf jüngere Altersstruktur. Je nach eingespeisten Daten kann die digitale Straßenkarte farblich auch sichtbar machen, wie hoch in den Stadtgebieten die Kneipen- oder Cafédichte ist, wo sich Einwohner am sichersten fühlen, wo sie niedrige oder hohe Bildungsabschlüsse haben und anderes. „Sich ein Bild machen“ lautet sinnigerweise der Titel der Dissertation Martin Berchtolds. Seit 2017 ist er Juniorprofessor an der TU Kaiserslautern, wo er zu „Digitalisierung, Visualisierung und Monitoring in der Raumplanung“, kurz dvmP, forscht und lehrt. Auch Martin Berchtold gab nach seinem Vortrag einen kurzen Einblick in sein heutiges Tun. In Seminaren lässt er Studierende etwa ausgehend von den digitalen Karten konventionelle, analoge Modelle bauen. Eine kluge Didaktik! Auf diese Weise werden die letzten Endes doch immer sehr abstrakten Daten wieder sinnlich erfahrbar. So gestaltete etwa ein Nachwuchsstadtplaner einmal ein Modell, das die sommerliche Hitzeentwicklung im urbanen Raum abzubilden hatte. Er verwendete dazu Zündhölzer und wo die Temperaturen unerträgliche Spitzenwerte erreichten, platzierte er abgebrannte, kohlschwarze Hölzchen. Ein drastisches Modell, das aber ohne GIS so nicht darstellbar wäre.
Bevor es ans Flying Buffett ging, spielten nochmals Flora Czöke und Eyal Heimann auf den Violoncelli auf. Schließlich kam man nach der Feierstunde zum Ausklang gut ins Gespräch. Dieses Mal war der Hermann-Billing-Preis mit zwei Mal 3.000 Euro dotiert. Wenn die Corona-Pandemie es zulässt, wird er auch 2023 wieder wie gewohnt vergeben.