Offenes Wohnen liegt im Trend. Kaum ein Neubau, in dem nicht zumindest Wohn- und Essbereich, meist auch noch die Küche ohne Trennwände ineinander übergehen. Oft sind auch die oberen Etagen über eine Galerie zum restlichen Haus hin offen. Und die Trennung zwischen den einzelnen Räumen flexibel. Kein Wunder, meint Rudolf Schricker, Professor für Innenarchitektur an der Hochschule Coburg: „Früher hat man Menschen in Standardwohnungen hinein gepresst. Aber der Mensch will die Möglichkeit haben, seine persönliche ‚Duftmarke‘ in seinem Wohnraum zu setzen.“
Mal zurückziehen – Mal konzentriert arbeiten
Der Reiz am offenen Wohnen sei, dass man sich seinen Lebensraum so gestalten könne, dass er zur Lebenssituation, aber auch zur aktuellen Stimmung und zum Anlass passe: „Mal will ich repräsentieren, mal muss ich konzentriert arbeiten und mich zurückziehen – diese Dynamik lassen die wenigsten Grundrisse in Deutschland zu, auch die ‚offenen‘ nur bedingt.“
Dazu müssten bewegliche Wände auch ohne Hausmeister per Knopfdruck oder manuell zu öffnen und zu schließen sein. Zwar arbeite die Bauindustrie an Lösungen – leichte Gipskartonwände, Rollläden, auch aufblasbare Elemente, die leicht wären, aber guten Schallschutz böten – aber vieles sei noch Zukunftsmusik.
Welcher Typ für offene Räume bist Du?
Ein offener Raum verlange von seinem Bewohner Fantasie. „Die erste Frage, die ein Innenarchitekt seinem Kunden stellen sollte,ist: Was bist Du für ein Typ? Was brauchst Du zu welcher Tageszeit? Daran sollte sich die Einrichtung orientieren, nicht primär am Raum,diese Möglichkeit lassen die offenen Räume ja„, sagt Schricker, der in Coburg und Stuttgart als Innenarchitekt tätig ist. Hat man diese Fragen für sich geklärt, gelte es, für die verschiedenen Lebensbereiche den richtigen Ort zu finden. Sinnvoll sei, den Raum durch Diagonalen oder in Form eines Kleeblattes in Bereiche einzuteilen. „Dazu sollte man sich überlegen, was man wo am liebsten machen möchte, wo die ruhigen Ecken sind, wo das schönste Licht ist.“. Diese Bereiche könne man dann durch Lamellenvorhänge, halbhohe Sideboards oder auch verschiedene Lichtquellen von einander abgrenzen.
Raumtrenner: Möbel als Trennelemente
„Möbel schaffen eine optische Trennung, ohne dass das Offene verloren geht. Denn auch die Andeutung einer Wand schafft das Gefühl von Abgeschlossenheit, ohne komplett dicht zu machen. Man hat das Gefühl, zwei Zimmer zu haben, und trotzdem ein großzügiges Raumgefühl„, erläutert Ruth Wolf, Innenarchitektin aus München. Sideboards und Regale als Raumteiler lösten zudem ein Problem, das die offenen großen Räume auch mit sich bringen: wenig Wände, an denen Schränke stehen können, und damit auch wenig Stauraum. „Wenn nur eine Wand im Raum vorhanden ist, sollte dort aus Gründen der Raumpsychologie nicht der Schrank, sondern unbedingt die Sitzgelegenheit stehen„, erläutert sie. Kein Platz also für die klassische Schrankwand, sie werde durch flexible Kleinmöbel ersetzt. In den Schlafräumen, in denen man mehr Stauraum braucht, könne man dagegen mit raumhohen Schränken arbeiten, die entweder einen Teil des Raumes, zum Beispiel für ein Ankleidezimmer, abgrenzen oder eine gemauerte Wand komplett ersetzen könnten.
Flexibilität bei der Raumteilung schaffen
„Wenn auch im Obergeschoss die Trennwände nicht gemauert sind, kann sich das Haus optimal an die Lebenssituation der Bewohner anpassen„, empfiehlt Wolf. So könne man beispielsweise zunächst ein besonders großes Kinderzimmer realisieren und später ein zweites Kinderzimmer. Oder auch ein Büro für die inzwischen wieder berufstätige Mutter abtrennen. „Leider gibt es kaum Trennwandlösungen von Serienmöbelherstellern“, bedauert die Innenarchitektin. Es lohne sich, einen Kostenvoranschlag von einem Schreiner einzuholen. Oft sei diese Lösung nicht teurer als eine von der Stange, aber weit individueller.
Auch wenn kleine Kinder im Wohn- und Essbereich spielen, könnten Möbel als Raumteiler fungieren: „Durch einen Spielteppich und zwei niedrige Möbelelemente über Eck kann man einen Spielbereich abgrenzen, ohne die Kinder auszugrenzen. Und trotzdem stolpert man nicht im ganzen Raum über Bauklötze„, schlägt die Innenarchitektin vor.
Wer an kleine Räume mit fester Funktion gewöhnt sei, habe gelegentlich Schwierigkeiten, das Mehr an Raum, das durch den Wegfall von Türen, Fluren und anderen Verkehrsflächen entstehe, zu möblieren. Hier empfiehlt Wolf Mut zum leeren Raum: „Freie Flächen sind gewollt und geben Platz zum Durchatmen. Zwischen Wohn- und Essbereich kann ein freier Raum, der durchaus so groß sein kann wieder Essbereich, sehr gut wirken.„
Bei Galerielösungen müssen die Proportionen stimmen
Diesen freien Raum möchten viele Hausbauer auch über ihren Köpfen, sie entscheiden sich für Galerielösungen. „Hier ist es extrem wichtig, dass die Proportionen zwischen Grundfläche und Raum nach oben passen, da muss genau geplant werden„, mahnt Wolf an.
Während diese Maßnahme nicht ohne weiteres revidierbar ist, seien fehlende Wände problemlos nachzubauen: „Man kann seine Erfahrungen, zum Beispiel mit einer offenen Küche, sammeln, und wenn man feststellt, dass es doch nicht zu einem passt, zieht man halt nachträglich eine Wand ein„, macht sie Mut zum Experiment.
Idealerweise sollte diese Wand allerdings je nach „Tagesform“ da oder weg sein, sagt Innenarchitekt Schricker: „Beides hat ja seine Vor- und Nachteile. Ist die Wand zu, kann man mit den Menschen in der Küche nicht kommunizieren, ist sie offen, riecht es im ganzen Haus nach Zwiebeln.„. Psychologisch sei der Mensch immer in einem Spannungsfeld zwischen Rückzug und Öffnung: „Der Idealfall ist ein Raum, der ein Maximum an Veränderungsmöglichkeiten bietet.“
[…] Wohnraum punktet vor allem mit seinem flexiblen und schicken Raumteiler. Als bewegliche Wand fungiert ein rollbares Regal und schafft hier einen abgegrenzten Essbereich. […]
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