Düsseldorf (ddp). Die neue Sitzgruppe auf dem frisch verlegten Teppichboden ist ein echter Hingucker und außerdem herrlich bequem – doch irgendwie riecht es in diesem Zimmer jetzt merkwürdig. «Unangenehme Gerüche lassen sich bei neuen Einrichtungsgegenständen nicht immer vermeiden, und nicht immer sind sie gefährlich», sagt Rolf Buschmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Umweltfragen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Aus manchen Möbeln und Böden aber dampfen gesundheitlich bedenkliche Stoffe in die Raumluft und führen zu Benommenheit, Schleimhautreizungen, Unruhe oder Allergien. Wer auch vier Wochen nach der Anschaffung noch lästige Düfte wahrnimmt, kann das nach Buschmanns Worten als Hinweis auf eine zu starke Belastung mit schädlichen Stoffen nehmen.
Zu den häufigsten Problem-Substanzen in Möbeln gehört Formaldehyd, das in fast allen Leimen und Leimhölzern und in Bindemitteln von Spanplatten enthalten ist, weiß der Experte. «Besonders bei feuchter Luft dringt dieser Stoff nach außen und kann das zentrale Nervensystem reizen.» Buschmann rät daher zum Kauf von Massivholz-Möbeln, denn die sind nur an den Klebestellen verleimt. Außerdem sollte das Holz nicht oder nur mit natürlichen Holzölen oder Wachsen behandelt sein. Auch auf eine Lackierung sollte verzichtet werden, denn Lacke setzen zumindest in den ersten Wochen flüchtige organische Verbindungen frei, die ebenfalls zu Schwindel oder Übelkeit führen können. «Hinzu kommt, dass die Lackierung das Holz versiegelt und diesem kostbaren Naturmaterial die Möglichkeit nimmt, belastete Raumluft auszugleichen», erklärt der Umwelt-Fachmann.
Gleichwohl ist es kein Patentrezept, sich bei allen Möbelkäufen einfach nur auf Naturmaterialien zu beschränken. «Holz und Baumwolle werden beim Anbau in den Herstellerländern oftmals mit Pestiziden getränkt, um Schädlinge zu bekämpfen», sagt Buschmann. «Diese Gifte machen nach der Verarbeitung zum Endprodukt natürlich auch beim Menschen nicht halt.» Generell sei es aber ratsam, beim Möbelkauf auf Convenience-Faktoren wie Anti-Knitter-Beschichtungen zu verzichten. «Das bedeutet nur noch mehr Chemie im Haus», sagt der Ökologe. Bei Teppich-Auslegeware sei in vielen Fällen eine Schaum-Unterbeschichtung problematisch. Außerdem sollte nach Möglichkeit auf eine Verklebung des Teppichs verzichtet werden.
Wer garantiert schadstoffarme Tische, Betten oder Fußbeläge haben möchte, sollte im Handel auf Produkte achten, die mit anerkannten Umweltzeichen wie dem «Blauen Engel» oder dem «Goldenen M» gekennzeichnet sind, rät Buschmann. Der «Blaue Engel» wird vom Umweltbundesamt vergeben und kennzeichnet gesundheitlich unbedenkliche Polstermöbel, die umweltfreundlich hergestellt wurden. Die Kriterien stellen Anforderungen bezüglich Holzherkunft, gefährlicher Stoffe, Grenzwerte für Mottenschutzmittel und Innenraumluftqualität. Das «Goldene M» ist das Siegel der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel, einer Organisation von Qualitätsmöbel-Herstellern, und prämiert die Gesundheitsverträglichkeit der Produkte.
«Bei der Anschaffung von Möbeln und Teppichen sollte man sich auch stets auf die eigene Nase verlassen», rät Rolf Buschmann. Denn über einen Teppichboden, der bereits im Laden stinkt, wird man vermutlich auch in den eigenen vier Wänden die Nase rümpfen. Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg rät dazu, vor dem Kauf von Teppichboden eine Geruchsprobe zu machen: «Legen Sie ein etwa handflächengroßes Probenstück in ein sauberes Einkoch- oder Marmeladenglas, das möglichst 24 Stunden luftdicht verschlossen bleibt. Beurteilen Sie nach dem Öffnen des Glases den Geruch als unangenehm, so ist von dem Produkt eher abzuraten.»
Stark riechende Ausdünstungen, die länger als vier Wochen anhalten, können laut Rolf Buschmann zur Reklamation der Ware berechtigen. Ausdünstungen gelten als Mangel, wenn sie durch giftige Stoffe verursacht werden, die in Möbeln und Fußbelägen nicht oder nur in geringer Konzentration enthalten sein dürfen. Kunden sollten sich bei so einem Verdacht an den Händler wenden und um Abhilfe oder Umtausch bitten. Bestreitet ein Händler die Fehlerhaftigkeit der Ware, müsse der Kunde allerdings die Mängel nachweisen. Entsprechende Gutachten, die von Sachverständigen oder Schadstoffmessinstituten erstellt werden, seien jedoch aufwendig und teuer. Außerdem, so Buschmanns Erfahrung, sei nicht sicher, dass diese Protokolle in einem Gerichtsverfahren verwertbar sind.
Niemals sollten üble Gerüche von Möbeln oder Teppichen mit Duftstoffen bekämpft werden, warnt der Fachmann. Denn auch natürliche Geruchskiller können gesundheitlich bedenkliche Stoffe wie Terpene enthalten, die Allergien auslösen können.
(ddp)